Anglophone Krise in Kamerun

Die Anglophone Krise in Kamerun (auch Ambazonien-Konflikt) ist ein anhaltender Konflikt in den englischsprachigen Regionen Kameruns, Nordwest- und Südwestkamerun. Die Krise wurzelt in der kolonialen Geschichte Kameruns und den nachfolgenden Jahrzehnten der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Spannungen zwischen den englischsprachigen Minderheitsregionen und der französischsprachigen Mehrheitsregierung. Der Konflikt eskalierte 2016 zu offener Gewalt, als Forderungen nach größerer Autonomie oder Unabhängigkeit gewaltsam unterdrückt wurden. Bis heute bleibt die Situation angespannt: Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen separatistischen Gruppen und staatlichen Sicherheitskräften halten an, mit verheerenden Auswirkungen für die Zivilbevölkerung.[1]

Hintergrund

Kamerun war von 1884 bis 1916 eine deutsche Kolonie. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Gebiet unter der Mandatsherrschaft des Völkerbundes zwischen Frankreich und Großbritannien aufgeteilt. Diese Teilung führte zur Entstehung zweier kulturell und sprachlich unterschiedlicher Regionen: des französischsprachigen Ostkamerun und des kleineren englischsprachigen Westkamerun, Südkamerun genannt.[2]

Nach der Unabhängigkeit des französischsprachigen Kamerun im Jahr 1960 folgte ein Referendum in den britischen Gebieten, das zur Teilung führte: Nordkamerun entschied sich für den Anschluss an Nigeria, während Südkamerun sich für die Vereinigung mit dem bereits unabhängigen Kamerun entschied. Diese Entscheidung legte den Grundstein für die heutigen Spannungen.[3]

Vor dem Ausbruch der Krise im Jahr 2016 gab es langjährige Beschwerden der anglophonen Bevölkerung über Marginalisierung in Bezug auf Politik, Wirtschaft und Bildung. Die Zentralregierung wurde beschuldigt, die französische Sprache und Kultur zu bevorzugen und die anglophonen Regionen systematisch zu benachteiligen.[4]

Verlauf des Konflikts

Der Konflikt begann im Oktober 2016 mit Protesten von Anwälten, Lehrern und Studenten gegen die Ernennung französischsprachiger Richter und Lehrer in den anglophonen Regionen sowie gegen die allgemeine Vernachlässigung dieser Gebiete. Die Proteste wurden gewaltsam unterdrückt, was zur Radikalisierung der Bewegung führte.[5]

Die Forderungen der Protestierenden weiteten sich von der anfänglichen Forderung nach Gleichberechtigung der Sprachen zu Forderungen nach größerer Autonomie und schließlich nach vollständiger Unabhängigkeit aus. Die Regierung reagierte mit militärischer Gewalt, was zu einer weiteren Eskalation führte. Internationale Organisationen wie Human Rights Watch berichteten von schweren Menschenrechtsverletzungen auf beiden Seiten.

Trotz verschiedener Versuche, den Konflikt durch Dialog zu lösen, bleibt die Situation angespannt. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen separatistischen Gruppen und staatlichen Sicherheitskräften halten an, mit schwerwiegenden Auswirkungen für die Zivilbevölkerung.[6][7]

Internationale Reaktionen

Internationale Akteure, einschließlich die Vereinten Nationen und die Afrikanischen Union, haben wiederholt zu einem friedlichen Dialog aufgerufen und ihre Bereitschaft signalisiert, bei der Konfliktlösung zu helfen. Allerdings haben diese Bemühungen bislang nicht zu einer dauerhaften Lösung geführt.[8]

Humanitäre Auswirkungen

Der Konflikt hat zu massiven Menschenrechtsverletzungen, Vertreibungen und einer tiefgreifenden humanitären Krise geführt. Tausende Menschen sind ums Leben gekommen, und Hunderttausende wurden vertrieben.[9]

Weblinks

Commons: Anglophone Krise in Kamerun – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Separatismus in Kamerun: Fünf Jahre blutiger Konflikt – DW – 30.09.2021. Abgerufen am 24. Februar 2024. 
  2. Stiftung Deutsches Historisches Museum: Gerade auf LeMO gesehen: LeMO Kapitel: Kaiserreich. Abgerufen am 24. Februar 2024. 
  3. Schweres Erbe der Kolonialzeit. Abgerufen am 24. Februar 2024. 
  4. Bundeszentrale für politische Bildung: Kamerun. 23. März 2021, abgerufen am 24. Februar 2024. 
  5. Kamerun 2016. Abgerufen am 24. Februar 2024. 
  6. Kamerun 2019. Abgerufen am 24. Februar 2024. 
  7. Kamerun 2021. Abgerufen am 24. Februar 2024. 
  8. Global Responses to Cameroon’s Anglophone Crisis: The Inadequate International Efforts to End the World’s Most Neglected Conflict - The SAIS Review of International Affairs. 8. November 2022, abgerufen am 24. Februar 2024 (amerikanisches Englisch). 
  9. Cameroon: Six things to know about the humanitarian crisis - Cameroon | ReliefWeb. 16. Juni 2023, abgerufen am 24. Februar 2024 (englisch).