Banner des Sieges

Banner des Sieges im Zentralmuseum der russischen Streitkräfte in Moskau
Siegesparade Moskau 2015

Als Banner des Sieges (russisch Знамя Победы Snamja Pobedy) wird eine Truppenfahne der Roten Armee bezeichnet, welche Rotarmisten am 1. Mai 1945 während der Schlacht um Berlin auf dem Reichstagsgebäude hissten. Verantwortlich dafür war der Leutnant Alexei Prokopjewitsch Berest.[1] Die Flagge trägt die Aufschrift „150. Schützendivision, Kutusow-Orden 2. Klasse, Division Idriza, 79. Schützenkorps, 3. Stoßarmee, 1. Weißrussische Front“.[2][3]

Die Flagge wird im Zentralmuseum der russischen Streitkräfte in Moskau aufbewahrt. Sie ist in der Russischen Föderation gesetzlich geschützt.[3]

Nach der russischen Invasion der Ukraine 2022 hissten russische Truppen diese Flagge nacheinander auf mehreren eroberten Gebäuden.[4]

Geschichte

Während des Deutsch-Sowjetischen Krieges entwickelten Soldaten der Roten Armee die Tradition, an wichtigen Orten, die sie erobert hatten, selbst angefertigte sowjetische Fahnen zu hissen.[5]

Die konkrete Idee für das Hissen des Siegesbanners am Reichstag wird einer Rede Stalins bei einer Versammlung der Moskauer Stadtverwaltung „Mossoviet“ anlässlich des 27. Jahrestages am 6. Oktober 1944 zugeschrieben:

„Das Sowjetvolk und die Rote Armee erfüllen mit Erfolg die Aufgaben, die sich uns im Vaterländischen Krieg gestellt haben [...] Von nun an und für immer ist unser Land frei von Hitlers Schmutz, und nun steht der Roten Armee ihre letzte, endgültige Mission bevor: zusammen mit den Armeen unserer Verbündeten das Werk der Niederschlagung der deutschen faschistischen Armee zu vollenden, die faschistische Bestie in ihrer eigenen Höhle zu erledigen und das Banner des Sieges über Berlin zu hissen.“[6]

Eine in einer Moskauer Stickerei (No. 07) angefertigte Flagge in kunstvoller Ausfertigung (mit Ornamenten, dem Emblem der UdSSR, dem Siegesorden und der Aufschrift „Unsere Sache ist richtig- wir haben gesiegt“), die ursprünglich in Berlin hätte gehisst werden sollen, wurde nicht mehr an die Truppe ausgegeben, sondern verblieb in Moskau.

Während einer Besprechung aller politischen Leiter der Armeen der 1. Weißrussischen Front am 9. April 1945 in der Nähe von Landsberg wurde den politischen Leitern befohlen, dass jede Armee, die Berlin angriff, eine entsprechende rote Flagge anzufertigen und mitzuführen habe, sodass sie über dem Reichstag gehisst werden könne.

In Detaillierung dieses Befehls befahl der Befehlshaber der 3. Stoßarmee (welche als erste Armee ins Zentrum von Berlin vorstoß), Generaloberst Kusnezow, auf Vorschlag seines Leiters der politischen Abteilung, des späteren Generalleutnants Fjiodor Jakowlewitsch Lisitsyn, für jede Division der Armee eine Flagge anzufertigen (insgesamt 9 Stück).

Die Flaggen wurden unter Verwendung von Material aus einem deutschen Geschäft nach dem Vorbild der Nationalflagge der UdSSR durch das Armeehaus der Roten Armee hergestellt.[7] Verantwortlich für die Herstellung der Flaggen war der Chef des Armeehauses, Major Georgi Nassarowitsch Golikow, der Stern, die Sichel und der Hammer wurden durch den Künstler Wassiliy Buntow mit der Hilfe einer Schablone angebracht. Die Fahnenstangen wurden durch den Obersergeanten Gabow aus einem Brett gesägt.[5]

Am Abend des 22. April 1945 wurden die Flaggen an die neun Divisionen übergeben. Das spätere Banner des Sieges wurde durch die herstellenden Soldaten mit der No. 05 gekennzeichnet.[8]

Der Befehl, die Flagge über dem Reichstag als wichtigstem Gebäude Berlins zu hissen, wurde angeblich direkt von Stalin an das Kommando der 1. Weißrussischen Front auf Nachfrage erteilt.

Die Kämpfe in der Umgebung des Reichstages begannen am 29. April 1945 unter Beteiligung der 171. und 150. Schützendivisionen. Am Morgen des 30. April unternahmen die sowjetischen Truppen einen ersten Angriff mit dem Ziel, das Gebäude zu stürmen, wurden aber durch das Feuer der verteidigenden Soldaten der Wehrmacht zurückgeschlagen. Nach intensiver Vorbereitung durch Artilleriefeuer wurde um 13:30 Uhr ein neuer Angriff unternommen.

Eine Falschmeldung des Chef des Stabes der 150. Schützendivision, des Obersten Djatschkow, an den Chef des Stabes des 79. Schützenkorps, die Truppen hätten um 14:25 Uhr das Siegesbanner über dem südlichen Teil des Reichstages gehisst, wurde auch über den Allunionsrundfunk verbreitet. Tatsächlich hatten sich zu diesem Zeitpunkt lediglich einige Gruppen Zugang zu dem Gebäude verschafft. Es wird jedoch in der heutigen Geschichtsschreibung den Stabsoffizieren, die diese Meldung verbreiteten, kein politisches oder ideologisches Motiv unterstellt, sondern es wird vielmehr auf die Unübersichtlichkeit der Lage verwiesen.

Der dritte Sturmangriff der Rotarmisten war in den Abendstunden des 30. April schließlich erfolgreich. Als vierte Fahne wurde um 22 Uhr (Berliner Zeit, in der heutigen Geschichtsschreibung wird daher heute oftmals der 01. Mai gemäß der Moskauer Zeit angegeben.) die Sturmflagge der 150. Schützendivision, das „Banner das Sieges“, auf dem östlichen Dach des Reichstagsgebäudes angebracht.[9] Da nächtlicher deutscher Artilleriebeschuss die übrigen drei Transparente schnell zerstören konnte, ist die Sturmflagge heute so präsent in der Geschichtsschreibung.

Gemäß der Memoiren des Kommandeurs des Bataillons, welches den Reichstag stürmte, des Helden der Sowjetunion Hauptmann (später Oberst) Neustrojew, habe der Regimentskommandeur des 756. Schützenregiments, der Held der Sowjetunion Oberst Sintschenko, selber den Soldaten Held der Sowjetunion Sergeant Michail Alexejewitsch Jegorow und Held der Sowjetunion Untersergeant Meliton Kantaria befohlen, das Siegesbanner zu hissen, wobei der Stellvertretende Politoffizier des betroffenen Bataillons, der posthum als Held der Ukraine ausgezeichnete Leutnant Alexei Berest, beauftragt wurde, die Ausführung des Kampfauftrages zu leiten. Maschinengewehrschützen der Roten Armee gaben den drei Soldaten währenddessen Feuerschutz. Zunächst wurde das Banner am östlichen Haupteingang des Reichstags an einer Reiterstatue Wilhelm I. festgemacht.[8]

Als die Deutschen im Reichstag bereits kapituliert hatten, soll Oberst Sintschenko selber mit Sergeant Jegorow und Untersergeant Kantaria auf das Reichstagsdach gestiegen sein und befohlen haben, das Banner an der Kuppelspitze des Reichstags anzubringen.

Das Gebiet rund um den Reichstag wurde gemäß eines Übereinkommens mit den Alliierten zeitnah zur Britischen Besatzungszone erklärt und von der Roten Armee geräumt. Das Banner wurde daher bereits zwischen dem 05. und 12. Mai entfernt (hier ist die Quellenlage uneindeutig) und durch ein größeres Banner ersetzt.

Der Held der Sowjetunion Generaloberst Perewjurtkin, der Kommandeur des 79. Schützenkorps, berichtete an die 3. Stoßarmee:

„Das Banner, das am 30. April 1945 über dem Reichstag gehisst wurde, befahl ich aufzubewahren und bat um eine Anfrage an den Marschall der Sowjetunion Genosse Schukow, damit eine Delegation der 1. Weißrussischen Front, der 3. Schockarmee und des 79. Schützenkorps dieses Siegesbanner persönlich im Kreml oder anderswo unserem Großen Führer, dem geliebten Marschall Josef Wissarionowitsch Stalin, überreichen könne.“

Einige Quellen berichten, Marschall Schukow habe persönlich die Lieferung des Banners angeordnet. Sie wurde am 19. oder 20. Juni 1945 auf Befehl des Politoffiziers der 150. Schützendivision, Oberstleutnant Artjuchow, mit der Inschrift „150 стр. ордена Кутузова II ст. Идриц. Див“ („150. Schützendivision, Kutusow-Orden 2. Klasse, Division Idriza“) versehen. Im Anschluss wurde sie unter Begleitung von Oberstleutnant Artjuchow zum Politoffizier des 79. Schützkorps, Oberst Krylow, verbracht und diesem präsentiert. Er soll mit der Inschrift nicht zufrieden gewesen sein und Artjuchow mit den Worten „Wer hat Ihnen das Recht gegeben, das zu schreiben?“ gerügt haben.[6] Daraufhin schlug Oberstleutnant Artjuchow vor, die Inschrift „79 стр. корпус, 3 Ударная армия, 1 Белорусский фронт“ („79. Schützenkorps, 3. Stoßarmee, 1. Weißrussische Front“) hinzuzufügen. Da der Platz auf der Flagge hierfür nicht mehr ausreichte, wurde verkürzt „79 ск, 3 уа, 1 Бф“ aufgebracht. Der Anblick der Ziffer „79“, der Zahl seines eigenen Verbandes, soll Krylow schließlich zufrieden gestellt zu haben, womit der Konflikt beigelegt war.[10]

Am 20. Juni 1945 wurde das Banner schließlich auf dem Luftweg nach Moskau gebracht. Bei der „Verabschiedung“ am Flughafen Tempelhof waren die beteiligten Soldaten Hauptmann Neustrojew, der Held der Sowjetunion und ebenfalls an der Einnahme des Reichstages beteiligte Bataillonskommandeur des 1. Schützenbataillons der 171. Schützendivision Oberleutnant Samsonow (der bei der Siegesparade 1965 das Banner des Sieges über den Roten Platz trug), der Held der Sowjetunion und Kompaniekommandant der Kompanie, die den hissenden Soldaten Feuerunterstützung bot, Obersergeant Syanow, Sergeant Jegorow und Untersergeant Kantaria anwesend. In Moskau nahm der Stellvertretende Stadtkommandant von Moskau, Oberst Grebenschtschikow, das Banner am Zentralen Flugplatz „Frunze“ entgegen. Die anwesende Kompanie der Ehrengarde führte der Held der Sowjetunion, damalige Hauptmann und spätere Armeegeneral und Oberkommandierende der Landstreitkräfte der UdSSR Walentin Iwanowitsch Warennikow. Die drei Helden der Sowjetunion Obersergeant Schkirjow (der Fahnenträger), Starschina (im Gardestatus) (=Stabsfeldwebel, der höchste Unteroffiziersdienstgrad der Sowjetunion) Papyschew und Obersergeant (im Gardestatus) Maschtakow bildeten den Fahnentrupp.

Ursprünglich war vorgesehen, dass Hauptmann Neustrojew das Banner bei der Siegesparade von 1945 über den Roten Platz trägt, wobei er von Berest, Jegorow und Kantaria begleitet werden sollte. Da Neustrojew jedoch an den Beinen verwundet war, der Ausbildungsstand der vorgesehenen Soldaten nicht den Ansprüchen genügte und vermeintlich keine anderen passenden Soldaten zur Stelle waren, entschied der Marschall der Sowjetunion Schukow, dass das Banner des Sieges nicht an der Parade teilnimmt.[11]

Verbleib

Aufgrund einer Anordnung des politischen Zentraldirektorats der Roten Armee wurde das Banner am 10. Juli 1945 in das Zentralmuseum der Streitkräfte der UdSSR zur „ewigen Aufbewahrung“ verbracht. Das Banner verließ das Museum im Anschluss noch einige Male, wurde aber ansonsten im Depot des Museums aufbewahrt. Am 8. Mai 2011 eröffnete das Museum einen Saal, in dem das Banner ausgestellt ist. Der entsprechende Glaskubus wird von Führungsschienen des BM-13 Raketenwerfers „Katjuscha“ getragen und steht auf Glasvitrinen in Form eines zerstörten Hakenkreuzes, welche u. a. mit deutschen Fahnen und 20.000 Eisernen Kreuzen (Reproduktionen) angefüllt sind.[12]

Weblinks

Commons: Victory Banner – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Повернення із забуття. 22. Juni 2008, abgerufen am 10. Juli 2023 (ukrainisch). 
  2. Vasily Kuznetsov, Andrei Litvinov: Russisches Archiv. 1995, abgerufen am 6. Juli 2023 (russisch, Kapitel III). 
  3. a b Федеральный закон "О Знамени Победы". Abgerufen am 10. Juli 2023 (russisch). 
  4. World War II Soviet victory flag begins to appear across parts of Russian-occupied Ukraine. CNN, 22. April 2022, abgerufen am 6. Juli 2023.
  5. a b Lulechnik. Abgerufen am 10. Juli 2023. 
  6. a b Banner des Sieges. Abgerufen am 10. Juli 2023. 
  7. WebCite query result. Abgerufen am 10. Juli 2023. 
  8. a b ВОЕННАЯ ЛИТЕРАТУРА --[ Первоисточники ]-- Русский архив: Великая Отечественная. Т. 15 (4-5). Битва за Берлин (Красная Армия в поверженной Германии). Abgerufen am 10. Juli 2023 (russisch). 
  9. ВОЕННАЯ ЛИТЕРАТУРА --[ Мемуары ]-- Неустроев С.А. Путь к рейхстагу. Abgerufen am 10. Juli 2023 (russisch). 
  10. О рейхстаге на склоне лет. Abgerufen am 12. Juli 2023. 
  11. Знамя, водруженное над рейхстагом, по Красной площади не пронесли. Abgerufen am 12. Juli 2023. 
  12. Дмитрий Медведев открыл зал "Знамя Победы" в Центральном музее Вооруженных сил. 8. Mai 2011, abgerufen am 12. Juli 2023 (russisch).