Lage-Skalen-Familie

In der Statistik ist eine Lage-Skalen-Familie[1] bzw. Lage- und Skalenfamilie[2] eine Familie von Wahrscheinlichkeitsverteilungen parametrisiert durch einen Lageparameter und einen nichtnegativen Skalenparameter.

Definition

Sei Z {\displaystyle Z} eine reelle Zufallsvariable mit Verteilungsfunktion F Z {\displaystyle F_{Z}} , und für μ R {\displaystyle \mu \in \mathbb {R} } und σ > 0 {\displaystyle \sigma >0} sei[1]

X = μ + σ Z {\displaystyle X=\mu +\sigma Z} .

Die auf diese Art entstehende Familie von Verteilungen heißt eine von Z {\displaystyle Z} induzierte Lage-Skalen-Familie mit Lageparameter μ {\displaystyle \mu } und Skalenparameter σ {\displaystyle \sigma } . Für μ = 0 {\displaystyle \mu =0} spricht man von einer (reinen) Skalenfamilie. Für σ = 1 {\displaystyle \sigma =1} spricht man von einer Lagefamilie mit dem Lageparameter μ {\displaystyle \mu } .

Eigenschaften

Zusammenhang zwischen den Verteilungsfunktionen

Die Verteilungsfunktion F X {\displaystyle F_{X}} der Zufallsvariablen X {\displaystyle X} kann durch die Verteilungsfunktion F Z {\displaystyle F_{Z}} der Zufallsvariablen X {\displaystyle X} ausgedrückt werden. Es gilt

F X ( t ) = F Z ( t μ σ ) für alle  t R , {\displaystyle F_{X}(t)=F_{Z}\left({\frac {t-\mu }{\sigma }}\right)\quad {\text{für alle }}t\in \mathbb {R} \;,}

da

F X ( t ) = P ( X t ) = P ( μ + σ Z t ) = P ( Z t μ σ ) = F Z ( t μ σ ) . {\displaystyle F_{X}(t)=P(X\leq t)=P(\mu +\sigma Z\leq t)=P\left(Z\leq {\frac {t-\mu }{\sigma }}\right)=F_{Z}\left({\frac {t-\mu }{\sigma }}\right)\;.}

Die durch F Z {\displaystyle F_{Z}} erzeugte Lage-Skalen-Familie mit dem Lageparameter μ {\displaystyle \mu } und dem Skalenparamater σ > 0 {\displaystyle \sigma >0} kann damit durch die zweiparametrige Menge von Verteilungsfunktionen

{ F μ , σ ( ) = F Z ( μ σ ) | μ R , σ > 0 } . {\displaystyle \left\{\left.F_{\mu ,\sigma }(\cdot )=F_{Z}\left({\frac {\cdot -\mu }{\sigma }}\right)\right|\mu \in \mathbb {R} ,\sigma >0\right\}\;.}

charakterisiert werden.

Zusammenhang zwischen den Quantilfunktionen

Ist F Z {\displaystyle F_{Z}} auf { x R : F Z ( x ) ( 0 , 1 ) } {\displaystyle \{x\in \mathbb {R} :F_{Z}(x)\in (0,1)\}} stetig und streng monoton, dann ist auch die Verteilungsfunktion F X {\displaystyle F_{X}} von X {\displaystyle X} auf { x R : F X ( x ) ( 0 , 1 ) } {\displaystyle \{x\in \mathbb {R} :F_{X}(x)\in (0,1)\}} stetig und streng monoton und es gilt:[1]

F X 1 ( u ) = μ + σ F Z 1 ( u ) , u ( 0 , 1 ) {\displaystyle F_{X}^{-1}(u)=\mu +\sigma F_{Z}^{-1}(u),\;u\in (0,1)} .

Im Fall einer reinen Skalenfamilie gilt

F X 1 ( u ) = σ F Z 1 ( u ) , u ( 0 , 1 ) {\displaystyle F_{X}^{-1}(u)=\sigma F_{Z}^{-1}(u),\;u\in (0,1)} .

Beispiele

  • Die Normalverteilungen N ( μ , σ 2 ) {\displaystyle \mathrm {N} (\mu ,\sigma ^{2})} bilden eine Lage-Skalen-Familie mit dem Lageparameter μ R {\displaystyle \mu \in \mathbb {R} } und dem Skalenparamater σ > 0 {\displaystyle \sigma >0} . Die zugehörige Menge der Verteilungsfunktionen ist
{ Φ μ , σ ( ) = Φ ( μ σ ) | μ R , σ > 0 } {\displaystyle \left\{\left.\Phi _{\mu ,\sigma }(\cdot )=\Phi \left({\frac {\cdot -\mu }{\sigma }}\right)\right|\mu \in \mathbb {R} ,\sigma >0\right\}} ,
wobei Φ {\displaystyle \Phi } die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung bezeichnet. Dabei ist μ {\displaystyle \mu } zugleich der Erwartungswert und σ {\displaystyle \sigma } ist zugleich die Standardabweichung von X N ( μ , σ 2 ) {\displaystyle X\sim \mathrm {N} (\mu ,\sigma ^{2})} .
  • Die Exponentialverteilungen E x p ( λ ) {\displaystyle \mathrm {Exp} (\lambda )} mit den Verteilungsfunktionen
F λ ( x ) = { 1 e λ x für  x > 0 , 0 für  x 0 {\displaystyle F_{\lambda }(x)={\begin{cases}1-\mathrm {e} ^{-\lambda x}&{\text{für }}x>0,\\0&{\text{für }}x\leq 0\end{cases}}}
für λ > 0 {\displaystyle \lambda >0} bilden eine Skalen-Familie mit dem Skalenparameter σ = 1 / λ {\displaystyle \sigma =1/\lambda } . Dabei ist σ {\displaystyle \sigma } zugleich die Standardabweichung von X E x p ( λ ) {\displaystyle X\sim \mathrm {Exp} (\lambda )} .
  • Aus der Standard-Cauchyverteilung C ( 0 , 1 ) {\displaystyle \mathrm {C} (0,1)} mit der Verteilungsfunktion
F ( x ) = 1 2 + 1 π arctan ( x ) für  x R {\displaystyle F(x)={\frac {1}{2}}+{\frac {1}{\pi }}\arctan(x)\quad {\text{für }}x\in \mathbb {R} } .
kann die Lage-Skalen-Familie { C ( μ , σ ) μ R , σ > 0 } {\displaystyle \{C(\mu ,\sigma )\mid \mu \in \mathbb {R} ,\sigma >0\}} gebildet werden, indem ausgehend von Z C ( 0 , 1 ) {\displaystyle Z\sim \mathrm {C} (0,1)} die Verteilungen von μ + σ Z {\displaystyle \mu +\sigma Z} für μ R {\displaystyle \mu \in \mathbb {R} } und σ > 0 {\displaystyle \sigma >0} gebildet werden. Die Verteilungsfunktion von μ + σ Z {\displaystyle \mu +\sigma Z} ist
F μ , σ ( x ) = 1 2 + 1 π arctan ( x μ σ ) {\displaystyle F_{\mu ,\sigma }(x)={\frac {1}{2}}+{\frac {1}{\pi }}\arctan \left({\frac {x-\mu }{\sigma }}\right)} .
Für die Cauchyverteilungen sind weder Erwartungswert noch Varianz definiert, so dass der Lageparameter μ {\displaystyle \mu } und der Skalenparameter σ {\displaystyle \sigma } bei dieser Lage-Skalen-Familie nicht als Erwartungswert und Standardabweichung interpretiert werden dürfen.

Literatur

  • Torsten Becker, Richard Herrmann, Viktor Sandor, Dominik Schäfer, Ulrich Wendisch: Stochastische Risikomodellierung und statistische Methoden – Ein anwendungsorientiertes Lehrbuch für Aktuare. Springer Spektrum, Berlin / Heidelberg 2016, ISBN 978-3-662-49406-6, Kap. 12.1: Lage-Skalen-Familien, doi:10.1007/978-3-662-49407-3. 

Einzelnachweise

  1. a b c Torsten Becker et al., S. 357.
  2. location-scale family. Glossary of statistical terms. In: International Statistical Institute. 1. Juni 2011, abgerufen am 19. Mai 2020 (englisch).