Luftangriffe 2020 in Balyun

Die Luftangriffe 2020 in Balyun waren der größte türkische Verlust im Syrischen Bürgerkrieg.[1][2]

Am 27. Februar 2020, während des Höhepunkts der syrischen Offensive „Dawn of Idlib 2“, flogen die russische und die syrische Luftwaffe Luftangriffe gegen einen Konvoi der Türkischen Armee in Balyun (Idlib). Dabei starben nach Angaben des Türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan 34 türkische Soldaten; nach anderen Quellen aus Regierungskreisen sollen 50 bis 100 türkische Soldaten ums Leben gekommen sein.[3][4] Zwischen 36 und 60 Soldaten erlitten Verwundungen, 16 davon lebensbedrohliche.[5][6] Der Angriff verursachte die größten Verluste der Türkischen Armee im Ausland seit ihrer Invasion in Zypern 1974.[7] Als Reaktion auf den Luftschlag begannen die Türkischen Streitkräfte die Operation Spring Shield in der Provinz Idlib.

Ablauf

Gegen 11 Uhr vormittags des 27. Februar 2020 begannen zwei russische Sukhoi Su-34 und zwei syrische Su-22 Jagdbomber intensiv die Truppen von Hayat Tahrir al-Sham im ländlichen Süden der Provinz Idlib zu bombardieren. Russischen Quellen zufolge verübten türkische Truppen nach 13 Uhr mehr als 15 Angriffe mit MANPADS gegen die russischen und syrischen Jets, wobei manche der russischen Flugzeuge durch Ausweichmanöver beschädigt worden sein sollen.[6]

Gegen 17 Uhr wurde ein 400 Mann starkes türkisches Panzergrenadier-Bataillon, das sich im Konvoi bewegte, auf der Straße zwischen al-Bara und Balyun, rund fünf Kilometer nördlich von Kafr Nabl aus der Luft angegriffen. Ein leichter Luftschlag durch eine Su-22 brachte den Konvoi zum Stehen, woraufhin ein weiteres Bombardement 80 türkische Soldaten der 65. Panzergrenadierbrigade zwang, in nahe gelegenen Gebäuden Zuflucht zu suchen.[7] Der Nachrichten-Website Al-Monitor zufolge, warfen russische Jets daraufhin vermutlich KAB-1500L Bomben ab, wodurch zwei Gebäude einstürzten und zahlreiche Soldaten unter den Trümmern begruben. Tags darauf bestritt die russische Regierung, in der Gegend Luftschläge ausgeführt zu haben und gab stattdessen an, man habe versucht, das syrische Militär zu einer Feuerpause zu bewegen, um die Evakuierung der türkischen Truppen zu ermöglichen; außerdem hätten sich gar keine türkischen Kräfte in jener Gegen aufhalten sollen, wo „Anti-Terror-Operationen“ ausgeführt würden, und die Türkei habe es versäumt, die Gegenwart ihrer Soldaten anzukündigen.[6]

Die türkische Regierung hingegen erklärte, das russische Militär sei bereits informiert gewesen über die Koordinaten der türkischen Truppen, da es regelmäßigen Austausch darüber gegeben habe.[8]

Folgen

Die türkische Armee löste die 65. Brigade nach den Verlusten auf; die überlebenden Soldaten wurden anderen Einheiten zugeteilt.[7]

Nach Angaben des Türkischen Verteidigungsministeriums reagierte die Türkei mit Gegenschlägen bei denen 329 syrische Soldaten „neutralisiert“ worden seien; zerstört worden seien fünf Militärhubschrauber, 23 Kampfpanzer, 10 gepanzerte Fahrzeuge, 23 großkalibrige Geschütze und Haubitzen, fünf Munitionstransporter, ein SA-17 und ein SA-22 Luftawehrsystem, drei Munitionsdepots, zwei Lager sowie ein Hauptquartier der syrischen Regierung,[9] was nicht bestätigt werden konnte.[10] Ein Offizieller des syrischen Militärs bestätigte erhebliche Zerstörungen.[11] Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, dass 138 syrische Soldaten und Milizionäre sowie 27 andere verbündete ausländische Kämpfer (iranische Kämpfer und Kämpfer der Hisbollah) durch Angriffe türkischer Drohnen und Artillerie zwischen 28. Februar und 5. März getötet worden seien.[12][13] Syrisches Regierungs-Feuer habe sieben türkische Soldaten getötet und 21 weitere verletzt.[14][15][16][17][18][19][20][21]

Am Tag nach dem russischen Luftschlag kam es vor dem russischen Konsulat in Istanbul zu Protesten.[2]

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu sprach mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg über den Vorfall.[22]

Einzelnachweise

  1. Turkey hits 'all known' Syrian govt positions after soldiers killed in Idlib. In: France 24. France 24, 28. Februar 2020; abgerufen im 1. Januar 1 (englisch). 
  2. a b Carlotta Gall: Airstrike Hits Turkish Forces in Syria, Raising Fears of Escalation. In: The New York Times. 27. Februar 2020, abgerufen am 27. Februar 2020 (englisch). 
  3. Dozens of Turkish soldiers killed in strike in Idlib in Syria. In: MSN. Archiviert vom Original am 29. Februar 2020; abgerufen am 28. Februar 2020 (englisch). 
  4. Simon Tisdall: Erdoğan is reaping what he sowed: Turkey is on the brink of disaster in Syria In: The Guardian, 2. März 2020 (englisch). 
  5. 33 Turkish soldiers killed, 36 wounded in Syria's Idlib - live blog. In: Ahval. Archiviert vom Original am 14. Dezember 2020; abgerufen am 28. Februar 2020 (englisch). 
  6. a b c Metin Gurcan: Deciphering Turkey's darkest night in Syria. In: Al-Monitor. 28. Februar 2020; abgerufen im 1. Januar 1 (englisch). 
  7. a b c Levent Kemal: Turkey blamed Syria for a deadly air strike. Its troops blame Russia. In: Middle East Monitor. 5. November 2021, abgerufen am 8. November 2021 (englisch). 
  8. The Strike: Did Russia Knowingly Target Turkish Troops? In: POLYGRAPH.info. 28. Februar 2020, abgerufen am 9. März 2020 (englisch). 
  9. Bakan Akar: 200'ü aşkın rejim hedefi ağır ateş altına alındı. In: NTV. Abgerufen am 28. Februar 2020 (englisch). 
  10. 33 Turkish soldiers killed in Syrian air raid in Idlib. In: www.aljazeera.com. Abgerufen im 1. Januar 1 (englisch). 
  11. News Desk: Turkish military carries out massive attack against Syrian Army. 28. Februar 2020, archiviert vom Original am 1. März 2020; abgerufen am 29. Februar 2020 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.almasdarnews.com 
  12. Turkish drones and artillery resume targeting regime's military vehicles and positions in Idlib countryside • The Syrian Observatory For Human Rights. 3. März 2020; abgerufen im 1. Januar 1 (englisch). 
  13. 82 were killed yesterday including 46 of the regime forces and militiamen loyal to them, and 36 others • The Syrian Observatory For Human Rights. 5. März 2020; abgerufen im 1. Januar 1 (englisch). 
  14. Reuters Staff: One Turkish soldier killed, two wounded in Syria's Idlib - ministry. In: www.reuters.com. 28. Februar 2020; abgerufen im 1. Januar 1 (englisch). 
  15. 45 قتيلا من قوات النظام بقصف طائرات مسيرة وحربية وقصف مدفعي تركي.. وصواريخ أرض-أرض تستهدف ريف حلب. 28. Februar 2020; abgerufen im 1. Januar 1 (arabisch). 
  16. Reuters Staff: Turkey says one soldier killed in Syrian government shelling in Idlib. In: www.reuters.com. 2. März 2020; abgerufen im 1. Januar 1 (englisch). 
  17. قتلى وجرحى في صفوف القوات التركية بقصف مدفعي لقوات النظام على ريف إدلب. 2. März 2020; abgerufen im 1. Januar 1 (arabisch). 
  18. Reuters Staff: One Turkish soldier killed and nine wounded in Syria's Idlib: ministry. In: www.reuters.com. 3. März 2020; abgerufen im 1. Januar 1 (englisch). 
  19. Reuters Staff: Two Turkish soldiers killed, six wounded in Syria's Idlib - ministry. In: www.reuters.com. 4. März 2020; abgerufen im 1. Januar 1 (englisch). 
  20. Turkish forces resume bombarding regime positions, while regime forces attempt to advance further northwest of Saraqeb • The Syrian Observatory For Human Rights. 4. März 2020; abgerufen im 1. Januar 1 (englisch). 
  21. Reuters Staff: Turkish defence ministry says two soldiers died in Syria's Idlib. In: www.reuters.com. 5. März 2020; abgerufen im 1. Januar 1 (englisch). 
  22. Gul Tuysuz, Isil Sariyuce: At least 29 Turkish soldiers killed in an air attack by Syrian regime, Turkish governor says. In: CNN. CNN, 27. Februar 2020, abgerufen am 27. Februar 2020 (englisch).