Wilhelm von Hartel

Wilhelm von Hartel, porträtiert von Kasimir Pochwalski (1906)
Wilhelm von Hartel, um 1901
Grab von Wilhelm von Hartel auf dem Hietzinger Friedhof

Wilhelm August Ritter von Hartel (* 28. Mai 1839 in Hof (Mähren); † 14. Jänner 1907 in Wien; in seinen Veröffentlichungen wird häufig auch die latinisierte Namensform Guilelmus de Hartel verwendet) war ein österreichischer Klassischer Philologe und Politiker.

Leben

Hartel studierte von 1859 bis 1863 in Wien und wurde 1864 zum Dr. phil. promoviert. Während seines Studiums war er 1860 Mitgründer der Burschenschaft Silesia Wien.

Ab 1869 war er außerordentlicher, ab 1872 ordentlicher Professor für Klassische Philologie an der Universität Wien. 1890/91 amtierte er als deren Rektor. Ab 1891 war Hartel Direktor der Hofbibliothek Wien. Ebenfalls 1891 wurde er zum Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde Hof in Mähren. Von 1900 bis 1905 war Hartel Minister für Kultus und Unterricht; bleibendes Verdienst erwarb er sich vor allem durch die Neuorganisation des Unterrichtes für Mädchen (Schaffung des sechsklassigen Mädchenlyzeums). Als Minister galt Hartel als „liberaler“ Politiker, der sich unter anderem für die von der Wiener Secession vertretene moderne Kunst einsetzte. Der Wiener Publizist Karl Kraus bekämpfte ihn in seiner Zeitschrift Die Fackel jedoch als „reaktionären Philologen“ und als „Universitätsverderber“. 1882 wurde er geadelt (Ritterstand). Nach seinem Ableben wurde Hartel auf dem Hietzinger Friedhof bestattet.

Als Philologe erwarb sich Hartel besondere Verdienste durch kritische wissenschaftliche Editionen klassischer Texte, etwa im Rahmen des Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum (CSEL). 1879 begründete er mit Karl Schenkl die noch heute existierende altphilologische Zeitschrift Wiener Studien. Die Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften ernannte ihn 1901 zum Ehrenmitglied.[1] Ab 1893 war er korrespondierendes Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften.[2]

Medaille Wilhelm von Hartel 1896

1896 wurde Wilhelm von Hartel eine Medaille anlässlich seines 30-jährigen Dienstjubiläums an der Universität Wien gewidmet. Unter den Stiftern, die die Legende der Rückseite unter Freunden und Schülern summiert, finden sich Eugen Bormann, Otto Benndorf und Theodor Gomperz. Der Revers zeigt eine Belehrungsszene mit Bezug auf ein Gemälde des italienischen Renaissancemalers Melozzo da Forlì, und ein Panorama der Stadt Wien im Hintergrund. Offensichtlich kombiniert die Rückseite dieser Medaille Hartels Arbeit im und für das Bildungswesen mit seiner Wirkungsstätte in einem Sinnbild. Neben einem Exemplar der Medaille in Gold wurde Wilhelm von Hartel eine Porträtbüste von Georg Leisek gestiftet.[3]

Die Österreichische Akademie der Wissenschaften vergibt seit 1957 den nach ihm benannten Wilhelm-Hartel-Preis für wissenschaftliche Leistungen im philosophisch-historischen Bereich.

Porträtbüste Wilhelm von Hartel
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(Bitte Urheberrechte beachten)

Schriften

  • Homerische Studien. 3 Bände. Vahlen, Berlin 1871–1874. (2. Auflage 1873)
    • Band 1: (Digitalisat Band 1, 2. Aufl.)
    • Band 2:
    • Band 3: (Digitalisat Band 3)
  • Demosthenische Studien. 2 Bände. Gerold, Wien 1877–1878. (Digitalisat Band 1), (Band 2)
  • Studien über attisches Staatsrecht und Urkundenwesen (1878)

Editionen antiker Autoren Für das Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum (Wiener Akademie der Wissenschaften):

Literatur

  • Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I: Politiker. Teilband 2: F–H. Winter, Heidelberg 1999, ISBN 3-8253-0809-X, S. 243–244.
  • Gerhard BaaderHartel, Wilhelm Ritter von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, ISBN 3-428-00188-5, S. 707–709 (Digitalisat).
  • Hartel Wilhelm von. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 2, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1959, S. 192.

Weblinks

Commons: Wilhelm von Hartel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 104.
  2. Mitglieder der Vorgängerakademien: Wilhelm Ritter von Hartel. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 1. April 2015 (mit Kurzbiographie). 
  3. Stefan Krmnicek, Marius Gaidys: Gelehrtenbilder. Altertumswissenschaftler auf Medaillen des 19. Jahrhunderts. Begleitband zur online-Ausstellung im Digitalen Münzkabinett des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Tübingen (= Von Krösus bis zu König Wilhelm. Neue Serie, Band 3). Universitätsbibliothek Tübingen, Tübingen 2020, S. 75–77 (online).

Manfred von Clary und Aldringen

Kazimir Chledowski | Wilhelm von Hartel | Eduard von Kindinger | Seweryn Kniaziołucki | Ernest von Koerber | Franz Stibral | Heinrich von Wittek

Ministerium Koerber I (1900–1904)

Ernest von Koerber

Eugen Böhm von Bawerk | Guido von Call | Karl von Giovanelli | Wilhelm von Hartel | Mansuet Kosel | Ferdinand de Longueval | Leonard Pietak | Antonín Randa | Antonín Rezek | Alois Spens von Booden | Zeno Welser von Welsersheimb | Heinrich von Wittek

Paul Gautsch von Frankenthurn

Leopold von Auersperg | Richard von Bienerth-Schmerling | Artur Bylandt-Rheidt | Guido von Call | Wilhelm von Hartel | Franz Klein | Mansuet Kosel | Ferdinand de Longueval | Leonard Pietak | Antonin Randa | Franz Xaver von Schönaich | Zeno Welser von Welsersheimb | Heinrich von Wittek | Ludwig Wrba

Vorsitzende der Thesaurus-Kommission und der Internationalen Thesaurus-Kommission (seit 1949)

Hermann Diels (1893–1896) | Wilhelm von Hartel (1896–1907) | Friedrich Vollmer (1908–1923) | Eduard Norden (1923–1934) | Johannes Stroux (1934–1949) | Manu Leumann (1949–1958) | Albin Lesky (1958–1967) | Carl Becker (1967–1973) | Heinz Haffter (1973–1979) | Viktor Pöschl (1979–1988) | Charles Oscar Brink (1988–1994) | Josef Delz (1994–2002) | Ernst Vogt (2002–2014) | Alfons Bürge (2014–2020) | Kathleen M. Coleman (seit 2020)

Erster Lehrstuhl: Hermann Bonitz (1849–1867) | Theodor Gomperz (1869–1899) | Hans von Arnim (1900–1914) | Heinrich Schenkl (1917–1919) | Hans von Arnim (1921–1930) | Johannes Mewaldt (1931–1946) | Hans Oellacher (1946–1949) | Albin Lesky (1949–1967) | Hans Schwabl (1968–1993) | Eugen Dönt (bis 2007) | Stefan Büttner (seit 2011)

Zweiter Lehrstuhl: Karl Josef Grysar (1850–1856) | Emanuel Hoffmann (1856–1896) | Friedrich Marx (1896–1899) | Edmund Hauler (1899–1930) | Alfred Kappelmacher (1931–1932) | Karl Mras (1933–1938) | Richard Meister (1938–1945) | Karl Mras (1945–1953) | Walther Kraus (1955–1973) | Hans Strohm (1974-1976) | Adolf Primmer (1973-1999) | Farouk Grewing (2007-2015) | Andreas Heil (seit 2017)

Dritter Lehrstuhl: Johannes Vahlen (1858–1874) | Karl Schenkl (1875–1899) | Michael Gitlbauer (1901–1903) | Ludwig Radermacher (1909–1937) | … | Rudolf Hanslik (1951–1977) | Franz Römer (1978–2011) | Hartmut Wulfram (seit 2013)

Vierter Lehrstuhl: Wilhelm von Hartel (1869–1895)

Normdaten (Person): GND: 119035030 (lobid, OGND, AKS) | LCCN: n81111916 | VIAF: 17395529 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Hartel, Wilhelm von
ALTERNATIVNAMEN Hartel, Guilelmus de
KURZBESCHREIBUNG österreichischer Altphilologe und Politiker
GEBURTSDATUM 28. Mai 1839
GEBURTSORT Dvorce u Bruntálu
STERBEDATUM 14. Januar 1907
STERBEORT Wien